Was für ein Rennen…

Das Gordon Bennett Rennen 2018, die Weltmeisterschaft im langdistanz Gasballonfahren ist mit dem Sieg von Polen 2 zu Ende gegangen. Für uns leider eine etwas kurze Fahrt mit 30h 45 Minuten und einer Distanz von 603 Kilometern. Sicher haben sich einige von Euch gefragt, was den los war mit den Favoriten, die alle nach Westen abgetrieben wurden. Hier eine kurze Zusammenfassung aus unserem Rennverlauf.

Noch selten sind die Winde so unberechenbar wie dieses Jahr. Eine schwache Kaltfront legt sich gerade zum Startzeitpunkt an die Alpen. Zusätzlich entsteht über Frankreich ein Höhentief das für weitere Überraschungen sorgen wird. Es gibt zwei Grundstrategien die in ganz unterschiedliche Richtung führen werden. Wer sofort hoch geht wird über die Alpen nach Italien kommen, dort ist der Luftraum durch die Flughäfen Milano und Padova sehr eingeschränkt. Grundsätzlich haben wir dafür unser ATC Team das dann mit den Fluglotsen die Durchquerung der Lufträume koordiniert, was in der Regel problemlos möglich ist, doch in diesem Jahr hat der Wettkampfleiter Markus Haggeney dem einen Riegel geschoben und die Lufträume über Italien als nicht koordinierbar gesperrt. Eine Fahrt nach Italien wird also sehr schwierig, weil man den Lufträumen ausweichen muss.

Die zweite Variante ist tiefer zu bleiben und nach Westen zu driften. Je nachdem wo das Höhentief zu liegen kommt, könnte man später die Fahrtrichtung mit einem Bogen nach Norden drehen und über Deutschland nach Polen fahren.

Um 20:15 Uhr ist es für uns soweit, wir steigen in den Nachthimmel über Bern.

Die meisten Ballone entscheiden sich für die Variante mit der Bisenströmung nach Westen, so auch wir. Im Laufe der Fahrt stellen wir fest, das die Drehung immer weiter im Südwesten stattfinden wird. Unser Team zu Hause rechnet intensiv Trajektorien und schaut sich die Windfelder in den Wettermodellen an.

Je höher wir steigen, umso besser ist die Richtung, aber auch die Geschwindigkeit nimmt zu. Dazu kommt der Ballastverbrauch, welcher die mögliche Länge unserer Fahrt einschränkt. Die anderen Favoriten sind alle in unserer Nähe und auch eher hoch unterwegs, es scheint alles in Ordnung. Von unserer Einsatzzentrale in Turbenthal kommt die Meldung, dass wir unter 2000m absteigen müssten, um die Drehung nach Norden noch zu erwischen. Die weitere Berechnung zeigt, dass es dann aber schwierig wird, auf der Route nach Polen genug Strecke zu machen und am Montag muss mit einer Wetterverschlechterung gerechnet werden. Wir wägen ab und entscheiden uns noch höher zu steigen um möglichst weit nach Westen zum Atlantik zu kommen.

Der Sauerstoff wird eingerichtet und unsere Kälteschutzanzüge angezogen. Ein Blick auf das Tracking zeigt, dass die Hohe Variante Richtung Italien auch nicht einfach umzusetzen ist. Wer zu hoch steigt, kommt zu weit östlich und wird auf die Adria hinausfahren, was für die weitere Route heikel ist, wegen Nachtflugverboten in Bosnien-Herzegovina und Albanien. Das Team Polen 2 hat sich die schwächste Strömung gesucht und ist immer noch in der Schweiz.

wir steigen derweil immer höher um möglichst weit nach Westen zu kommen. Maximal erlaubte Höhe für Sichtflug ist Flugfläche 195, ziemlich genau 6000 m.ü.M, wir erleben einen spektakulären Sonnenuntergang und gehen in die zweite Nacht.

wie erwartet drehen wir im Westen des Höhentief immer mehr nach Süden ein. Sobald unsere Fahrtrichtung 180 Grad unterschreitet wird es Zeit abzusteigen und tief eine Strömung nach Südwesten zu finden. Dies gelingt uns in Bodennähe sehr gut und dank unserem Nachtsichtgerät und der Hindernisfreien Gegend können wir in 100m Grund stabil weiterfahren. Zu diesem Zeitpunkt sind wir an 4. Stelle im Zwischenklassement und durch die gute Richtung am Boden können wir zur 3. Stelle aufholen. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer, denn es setzt eine Drehung nach Norden und später nach Nordosten ein. Wir fahren zurück Richtung Schweiz und verringern mit jeder Minute unsere Strecke. In einem kleinen Tal können wir bremsen, aber auch das ist nur von kurzer Dauer. Es hilft alles nichts, wenn wir jetzt nicht landen fallen wir im Ranking noch weiter zurück.

Unser Bodenteam im Verfolgerfahrzeug ist zur Stelle und hilft uns bei der Landung. Dank fast windstillen Bedingungen und zusammen mit Landescheinwerfer und Nachtsichtgerät kehren wir nach 30h 45min ganz sanft auf Mutter Erde zurück.

Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt, zwei Teams fahren in Italien bis in die Gegend von Rom, Polen 2 welche 24h über der Schweiz gekreist hat, ist via Ebnat Kappel, wo das Rennen 2012 stattfand und München Richtung Polen unterwegs. Aus dem Feld der Westroute hat sich Deutschland 1 abgespaltet und verfolgt unsere ursprüngliche Strategie Richtung Polen. Wird es aufgehen, bleibt genug Zeit, wie ist das Wetter, hätten wir das doch auch versuchen sollen? Viele Fragen, die wir uns in den nächsten Stunden stellen.

Nach gut 66 Stunden landet als letzter Ballon GER-1 auf dem 3. Rang und wir stehen auf dem 8. Schlussrang. Es gehört zu Gordon Bennett, dass man sich immer wieder neu entscheiden muss und dabei erst am Schluss weiss ob die Entscheidung richtig war. So gesehen hätten wir an unserer ersten Strategie festhalten sollen und die Drehung über Norden Richtung Polen durchziehen. Wir sind aber zufrieden wie es ist, das beste Team hat gewonnen und mit viel Geduld am Anfang die Grundlage zum Erfolg gelegt. Nach 35 Jahren hat wieder ein polnisches Team den Sieg errungen, wir gratulieren Mateusz REKAS und Jacek BOGDÁNSKI und freuen uns 2020 in Polen zu Gast zu sein.

Danke unserem gesamten Team für die Unterstützung, ihr seid einfach fantastisch! Alle arbeiten freiwillig und unentgeltlich mit, das gibt unserem Team den Spirit und Zusammenhalt.

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Ballonfahrer
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4 Antworten zu Was für ein Rennen…

  1. ch schreibt:

    Sehr interessant, vielen Dank fürs Mitnehmen 🙂

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  2. Andrea schreibt:

    Herzlichen Dank für den tollen Bericht. Überhaupt habe ich alle Blogeinträge jeweils mit grossem Interesse verfolgt. Es kommt einem vor, als würde man selbst im Ballon stehen und die Welt aus der Vogelperspektive betrachten. Schade natürlich, ist eure Strategie zum Schluss nicht ganz wie gewollt aufgegangen. Aber es war ein absolut spannendes Rennen und am Ende kann sich, neben dem „richtigen“ Siegerteam Polen2, auch jedes weitere Team als „kleine“ Sieger feiern lassen – sind doch alle wieder gesund und unversehrt auf der Erde gelandet.
    Auf ein Neues im 2019!

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  3. Margrit schreibt:

    Vielen lieben Dank für den guten Bericht.Hauptsache es war spannend und ihr und alle mutigen Ballon Piloten sind wieder gut gelandet.Freue mich schon jetzt auf spannung im nächsten Jahr. Margrit

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  4. Erich Bucher schreibt:

    Die Hauptsache ist, dass ihr alle heil gelandet sind. Aber bereitet uns nächstes Jahr wieder schlaflose Nächte, das ist der beste Krimi. Ich freue mich auf 2019 Frankreich .

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