In 60 Stunden ans Schwarze Meer

Der 65. Coupe Aéronautique Gordon Bennett, die Langdistanz Weltmeisterschaft startet 2022 in St.Gallen Schweiz. 2 Tage vor dem Start ist aufgrund der Wettervorhersage noch nicht klar, ob der geplante Start am Freitagabend stattfinden kann. Eine Kaltfront mit eingelagerten Gewittern wird auf den Abend über St.Gallen erwartet. Je näher der Entscheidungszeitpunkt kommt, umso mehr wird die Front von den Wettermodellen verzögert gerechnet. Die Wettkampfleiter Markus Haggeney und Thomas Hora bringen die Idee auf, den Start vorzuverlegen und bereits auf Freitag, 14 Uhr zu planen. Es wird keine einfache Entscheidung für die Beiden werden und auch bei den Piloten sind gemischte Gefühle vorhanden im Hinblick auf einen Start vor der Kaltfront. Beim General Briefing wird der Plan konkretisiert und die Piloten sind angehalten am kommenden Freitagmorgen ab 8 Uhr die Ballone füllbereit zu haben.

Abends ab 18 Uhr wird der 65. Coupe Aéronautique Gordon Bennett unter den Klängen der Schweizer Nationalhymne sowie der FAI-Hymne durch den Aero Club Präsidenten Matthias Jauslin eröffnet. Es folgt die Auslosung der Startreihenfolge und ein üppiger Apéro Rich.

Das Füllen der Ballone am nächsten Morgen geht zügig voran. Wir sind froh, dass Kurt Boppart die Gaslieferanten in letzter Minute für eine lückenlose Lieferung gewinnen konnte. Technische Probleme und Lieferschwierigkeiten wurden wenige Wochen vor der Veranstaltung gelöst. Unter der Leitung von Werner Beyeler sind die 17 Ballone gegen 14 Uhr gefüllt.

Die Zuschauer dürfen jetzt zu den Ballonen, das Interesse ist gross und so bildet sich bald eine Traube um unseren Korb. Danke für all die guten Wünsche, sie haben uns auf der Reise begleitet. Viele langjährige Fans sind vor Ort.

Die Zeit schreitet voran, der Start ist für 16 Uhr vorgesehen. Zeit für einen Taktik und Wetter Check mit unserem Headquarter Team. Die Kaltfront ist weiter verzögert, wenn man nach dem Start gleich auf 2 – 3`000 m.ü.M in den Westwind aufsteigt, sollte es problemlos möglich sein, nach Osten wegzukommen. Ziel wird sein, vor dem Mittag des nächsten Tages die Alpen Richtung Ungarn verlassen zu haben.

Das Interesse der Presse ist in diesem Jahr besonders gross. Radio und Fernsehen berichten vom Grossereignis auf der Kreuzbleiche in St.Gallen. Karin Kobler vom Regionaljournal will wissen, wie man es so lange aushält in diesem kleinen Korb.

Unser Team ist seit Jahren zusammen, ein richtiges Dream Team. Danke für Eure Unterstützung.

16:25 Uhr geht es los, Thomas Hora der Startleiter nimmt uns einen Sack um den anderen ab, bis die Steigkraft stimmt. Wir müssen sowieso gleich hoch und je weniger Sand wir auf die Stadt St.Gallen abwerfen, umso besser. Unter den Klängen der Nationalhymne steigen wir als Nr. 9 in den Himmel, begeistert verabschiedet uns das Publikum.

Mit 4m / Sekunde geht es Himmelwärts. Nach einem Tag mit viel Trubel wird es still im Korb, die Reise beginnt mit einem fantastischen Blick auf die Stadt St.Gallen. Am Boden werden die als Beschwerung zurückgebliebenen Sandsäcke ausgeleert und das Headquarter Team macht sich auf nach Turbenthal, um die Strategie zu vertiefen.

Ab 1200 m.ü.M dreht der Wind auf Südwest und wir steuern dem Bodensee entgegen. Wie auf einer Schnur aufgereiht driften die Ballone Richtung Österreicher Alpen. Der erste Funkkontakt erfolgt mit St.Gallen Altenrhein Tower, um dann kurz vor Bregenz zu Alps Radar zu wechseln. Die Controller wünschen uns viel Erfolg und freuen sich mit uns, auf das aviatische Highlight im Jahr.

Die Kaltfront mit Niederschlägen und Gewittern sitzt uns im Nacken, wir sind bestrebt nach Osten wegzukommen. Es geht über Sonthofen in die erste Nacht und weiter Richtung Osten. Es gilt das Optimum an Geschwindigkeit, bei zugleich möglichst wenig Höhe, wegen dem Ballastverbrauch zu finden.

Die Ballone bleiben nahe zusammen und es gilt trotz Dunkelheit die Kollegen links und rechts im Auge zu behalten. Wir sind gut ausgerüstet, mit Nachtsichtgerät und LED-Scheinwerfer mit 300m Strahllänge. Zudem zeigt das Tracking die Position der Ballone, was uns auch hilft, nahe Ballone zu erkennen. Die Technik hat sich seit meiner ersten Teilnahme vor 30 Jahren gewaltig entwickelt. Früher mussten wir mit Funk Relais arbeiten, hatten nur die Wetterinfos am Start, heute können wir mit unserem Team bequem chatten und telefonieren, wissen wo die Anderen sind und bekommen alle Infos in die Cloud.

Nach 10 Stunden erreichen wir Salzburg. Eine fantastische Sicht auf die Stadt, ab jetzt werden die Berge höher.

Dank unserer Luftraum Software SkyDemon mit Relief Karten können wir Annäherungen an Berge erkennen und sicher durch die Alpenwelt navigieren.

Ein Blick aus dem Korb zeigt die faszinierende Alpenwelt. Mit 45 km/h fahren wir stabil nach Osten.

In einem schönen Bogen geht es um die Felsen der Hauptalpenkette beim Grossen Priel. Die Drehung entsteht mit zunehmender Höhe. Durch die Berge müssen wir immer höher rauf und mehr nach Südosten müssen wir für das Endziel am Schwarzen Meer sowieso. Schön, wenn sich beides ergänzt und man entspannt den Dingen den Lauf lassen kann.

Der erste Morgen macht sich bemerkbar, das ist die schönste Zeit mit romantischen Farben und Lichtspielen. Der Nebel im Norden der Alpen fällt wie ein Wasserfall über die Hänge nach Süden.

Alle Ballone ziehen in die gleiche Richtung, zum Showdown am Schwarzen Meer. Schon bald kommt der Ungarische Plattensee in Sicht. Nicht immer sind die Ballone so lange so nahe beieinander wie an diesem Rennen.

In der zweiten Nacht überqueren wir Serbien. In Belgrad findet ein Weinfest statt, weshalb man den Luftraum über der Stadt komplett gesperrt hat. Das bringt ein paar Ballone in Bedrängnis und sie sinken in tiefere Regionen, um eine andere Strömung zu finden und dem Luftraum auszuweichen. Das Feld wir in einen Nord und einen Südteil gespalten.

Unser Cockpit mit Arbeitsfläche. Das Rotlicht ist ideal zum Arbeiten in der Nacht.

Die nächste Herausforderung sind zwei Flugbeschränkungsgebiete westlich Bukarests. Seit 12 Stunden arbeiten wir daran, dazwischen durchzufahren. Würden wir nördlich durchfahren, kämen wir an den Luftraum von Bukarest welcher für uns gesperrt ist, würden wir südlich durchfahren, würde es für den Endpunkt am Schwarzen Meer schlechter aussehen.
Es klappt wunderbar, wir fahren 4 km am südlichen Flugbeschränkungsgebiet vorbei.

Unser Team zu Hause arbeitet rund um die Uhr für uns. Ohne diese Angaben wäre es schwierig so perfekt durch den komplexen Luftraum über Europa fahren zu können. Das Headquarter ist das Herz des Teams.

Wie uns Dani bereits erläutert hat, erwartet uns ein spezieller Morgen. Unter uns eine sich schliessende Wolkendecke und über uns ebenfalls eine fast geschlossene Bewölkung. Es reicht gerade noch, um kurz den Sonnenaufgang zu sehen, es wird aber noch etwas dauern bis der Ballon ins Steigen kommt aufgrund der Erwärmung durch die Sonne, da diese noch länger verdeckt bleibt. Die Navigation erfolgt ausschliesslich über das Tablett und GPS. Das ist kein Problem, der Ballon kann nicht plötzlich in eine komische Fluglage kommen, wir müssen nur die Wolkenabstände einhalten.

Im Tagesverlauf steigen wir bis 5`000 m.ü.M, um die ideale Richtung zu finden. Dort oben ist die Luft sehr dünn, wir müssen Sauerstoff zuführen. Danke an die Firma Pangas, welche uns jedes Jahr den Sauerstoff zur Verfügung stellt.

Hier oben ist auch eine optimal funktionierende Sonnenbrille wichtig. Die React Brille von Optrel sports AG kann sich in Millisekunden abdunkeln, wechselnde Lichtverhältnisse durch abwechselnd Sonnenschein und Wolken hat sie bestens im Griff.

Am 2. Abend, nach 50 Stunden, landen weitere Ballone, die Konkurrenz nimmt langsam ab. Noch 7 Ballone fahren in die dritte Nacht. Auf diesem Bild sind ein paar Ballone bereits gelandet. Unsere Position ist hervorragend, jetzt nur nicht zu schnell sein.

Auf 2000 m.ü.M soll eine langsame Strömung nach Osten führen, wir lassen uns mit der Nachtabkühlung absinken und suchen die besagte Windrichtung, um Zeit herauszuholen. Wir dürfen nicht zu früh im Landegebiet an der türkischen Grenze sein, dort hat es sehr viel Wald und nur direkt an der Küste wenige Wiesen. Eine Landung in der Nacht wäre mit den vorhergesagten 40 – 50 km/h Bodenwinden direkt an der Küste schwierig.
Wir sinken und sinken, aber die Windrichtung dreht immer mehr nach Süden. Es wird zwar langsamer, aber wenn wir zu sehr nach Süden versetzen, können wir die unterste Ecke nicht mehr erreichen. Unser Team zu Hause sucht nach Möglichkeiten und rechnet die Wettermodelle durch, es hilft alles nichts, wir müssen wieder aufsteigen auf 4500 m.ü.M und wohl oder übel schneller als gewünscht nach Südosten fahren. Es gelingt uns auf knapp 5`000 m.ü.M die optimale Richtung mit 25 km/h Speed zu finden.
Ein Blick auf das Tracking zeigt, wirklich Chancen auf den südöstlichsten Zipfel haben wir und GER-3 mit Willi und Benni. Wird es uns gelingen? Wie viel Ballast haben die noch? Werden sie auch über das Schwarze Meer fahren? Viele Fragen die sich in den nächsten Stunden klären werden.

Wir haben etwas Vorsprung auf GER-3 und sind südlicher als sie, also an der schlechteren Position. Die Berechnungen zeigen, dass wir noch bei Dunkelheit an die Küste kommen werden. Wie viel Risiko wollen wir eingehen?
Wenn wir jetzt absteigen und die Winde unter 1600m ins Landesinnere nutzen, kommen wir in ein Gebiet mit gutem Landegelände, der Wind, welcher an der Küste ungebremst auftrifft, wird im Landesinneren schwächer und für eine Landung in der Nacht idealer sein, sagt der Bauch.
Wir haben immer gesagt, die Sicherheit geht vor, doch jetzt hier oben müssen wir uns entscheiden. Der Kopf sagt Sieg, Sieg, der Bauch sagt das Risiko ist zu hoch. Wir Diskutieren wägen ab und bleiben vernünftig, über das Ventil wird Gas abgelassen und die Flugsicherung über unsere Landeabsichten informiert. Willi und Benni dürften sich über unseren Funkspruch gefreut haben.

Es geht runter, der Wind dreht nach Süden und weiter nach Südwesten. Ein Hügelzug ist noch zu überqueren, wir bremsen den Fall etwas ab und lesen auf dem GPS 48 km/h, in 200 m über Grund. Je näher wir dem Boden kommen, umso langsamer wird es 30 m über Grund sind es noch 20 km/h. Noch sind wir über den Bäumen und allzu viel Ballast ist nicht mehr vorhanden. Mit Nachtsichtgerät und Ultra heller LED-Lampe suchen wir eine Waldlichtung. Google Maps ist sehr hilfreich, der Wald müsste bald zu Ende sein. Wir brauchen immer wieder Ballast und müssen Gas ablassen, dann kommt sie endlich, die ersehnte Waldlichtung, ein kräftiger Ventilzug und Mutter Erde hat uns wieder.

Während wir wohlbehalten den Boden unter den Füssen wieder gefunden haben, sind Willi und Benni, welche 1 Stunde hinter uns lagen, am Anpeilen der Küste. Sie können mit dem ersten Tageslicht eine Landewiese suchen und berichten von einer schweren Landung mit böigen 35 km/h und einigen Leitungen an der Küste. Wir sind froh, dass wir im Dunkeln die sicherere Variante gewählt haben und alles Material unversehrt mit nach Hause nehmen zu können.

Wir freuen uns riesig, Vizeweltmeister geworden zu sein. Danke an unser gesamtes Team, Ihr seid fantastisch!

Es gilt nun, nach der erfolgreichen Landung, unsere Nachfahrer in die Nähe zu lotsen, dazu müssen wir von unserem Landeplatz einen Weg finden, welcher auf eine asphaltierte Strasse zurückführt. Pascal ist rund 1h zu Fuss unterwegs, bis der Zugang gefunden ist und die Nachfahrer zu uns auf die Waldlichtung fahren können. Dank Handy und Positionsdaten ist auch dieses Unterfangen einfacher geworden als noch vor ein paar Jahren.

Schön wart Ihr dabei und habt mitgefiebert, wir sind sehr zufrieden mit dem Vize Weltmeister Titel. Natürlich wäre es fantastisch aus dem eigenen Land gestartet den WM Titel zu holen, vielleicht klappt es 2023 mit Start ab Sion im Wallis.

Herzlichen Dank an die Organisatoren, Helfer, Wettkampfleitung und Sponsoren! Ohne Euren Einsatz und Zeitaufwand wäre ein solcher Anlass nicht möglich. Herzlichen Dank!

Die Weltmeisterschaft 2023 wird in Sion Wallis am Samstag, 2. September am Morgen ca. 8 Uhr gestartet.

Dieser Termin gehört sofort in jede Agenda !!

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Ballonfahrer
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6 Antworten zu In 60 Stunden ans Schwarze Meer

  1. Evelyne schreibt:

    Herzlichen Glückwunsch, es war mega spannend. Ich freue mich schon auf nächstes Jahr. Liebe Grüsse aus Schlatt.

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  2. Verena Büchel schreibt:

    Vielen Dank für den ausführlichen und toll bebilderten Bericht. Es ist immer aufschlussreich mehr Details zu erfahren und weckt unvergessliche Erinnerungen (Landeplatz Portugal 2009). Schönes Fest, herzliche Grüsse, Verena

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  3. Franz Killer schreibt:

    Ganz toll, dieser zusammenfassend Bericht. Er lässt einen nochmals alles, was schon zeitnah einzeln berichtet wurde, lebendig erleben. Nochmals herzlichenDank und Gratulation zur wunderbaren Fahrt.

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  4. Werner Beyeler schreibt:

    Herzliche Gratulation zum 2. Rang, ist einfach absolut Spitze. Schön wenn wir alle wissen, der Sieg geht über die Schweiz, zuerst müssen die Teams aus der Schweiz geschlagen werden, sonst gibt es nichts zu gewinnen. Es hat nicht viel gefehlt und wir sind sicher, ist ja nur aufgeschoben und nicht aufgehoben……

    Vielen Dank dem ganzen Team an die super Berichterstattung, dass wir alle am Wettkampf „teilnehmen“ konnten und schön habt ihr auf den Bauch gehört, denn diese Entscheidungen sind halt immer wieder die Besten. Die Sicherheit sollte immer das oberste Gebot sein und es gibt nichts schwierigeres für einen Piloten, der nein sagt und zu Gunsten der Sicherheit entscheidet, das ist eigentlich ein Weltmeistertitel wert.
    Geniesst die Abschlusszeromonie heute Abend und natürlich die Rangverkündigung.
    Herzliche Gratulation für den Vize-Weltmeister, ihr seid definitiv weltmeisterlich.

    Beste Grüsse
    Werner

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  5. Trix und Hans Bommer schreibt:

    Vielen herzlichen Dank für den umfassenden Schlussbericht und die tollen Bilder und Aufzeichnungen während der Fahrt. Es war spannend euch zu verfolgen vielen Dank! Herzliche Gratulation zum Vizeweltmeister und alles Gute.
    Liebe Grüsse Trix und Hans

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  6. Stürzlinger Heinz (Vater von Gerald) schreibt:

    Herzlichen Dank für die interessanten Berichte Eurer Fahrt und Glückwunsch zum 2. Platz.

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